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In dem neuerschienen Buch von Simon Gabriel Neuffer »Zwecklose Technik. Zur Kritik der instrumentellen Technikauffassung« wird die Frage diskutiert, ob wir noch Herr des technischen Fortschritts sind…
Zum Abschluss des Dresdner Teilprojektes sind jetzt zwei Publikationen erschienen; Journalisten können Rezensionsexemplare unter presse@dhmd.de bestellen.

Im BMBF-Forschungsprojekt „Anthropofakte“ haben die Technische Universität Berlin und das Deutsche Hygiene-Museum Dresden die Schnittstelle zwischen menschlichem Körper und Technik untersucht. Dessen materielle Grundlage bildete die herausragende „Prothetik“-Sammlung des Museums. Nun erscheint ein Buch voller Objekt- und Nutzergeschichten, in dem diese Sammlung vorgestellt wird. Ein zweites Buch fasst die Abschlusstagung des Forschungsprojektes zusammen: „Parahuman. Neue Perspektiven auf das Leben mit Technik“.

Prothetisierte Spitzensportler wie der Leichtathlet Markus Rehm und Kampagnen wie "Meet the Superhumans" verschaffen dem Thema Sport und Prothetik große mediale Resonanz. Aber auch der Breitensport mit Prothesen bietet Anlass zur Diskussion: Auf dem interdisziplinären Podium werden die gesellschaftlichen Aspekte „Leistung“ und „Inklusion“ diskutiert.

1. Panel:

Leistung
Das Forschungsprojekt „Anthropofakte“ analysiert anhand des umfangreichen Prothesenbestands in der Sammlung des Deutschen Hygiene-Museums die Schnittstelle zwischen dem menschlichen Körper und seinen technischen Erweiterungen. Im Zentrum steht die Frage, wie sich in diesen Übergangsobjekten der gesellschaftliche und kulturelle Wandel im 20. und 21. Jahrhundert ausdrückt und ablesen lässt.
Technologien des Digitalen schreiben sich auf besondere Weise in diejenige der Biomedizin ein, (Massumi 2010), operieren sie doch von Beginn an mit dem Versprechen, einen neuen post- oder transhumanen Menschentypus, einen Cyborg zu kreieren (Haraway 1995a, 1995b; Coenen 2014).

Interdisziplinäre Tagung des Verbundprojektes Anthropofakte. Schnittstelle Mensch: Kompensation, Extension und Optimierung durch Artefakte. Von der Technische Universität Berlin und dem Deutsches Hygiene-Museum Dresden

Die Tagung will den Spuren nachgehen, welche die Leistungsgesellschaft in der Prothetik und die »Prothesenlogik« im Alltag hinterlassen haben. Aus einer interdisziplinären Perspektive nimmt sie Objekte und Diskurse, Bilder und Praktiken in den Blick, um nach unserem leistungsorientierten Selbstverständnis zu fragen.

»Disabled oder superabled? Was trifft zu auf Oscar Pistorius, den Sprinter mit den Hightech-Karbon-Beinen? Während herkömmliche Prothesen, wie etwa die Arbeitshand für Armamputierte, vor allem dazu dienen, körperliche Defizite zu kompensieren, leisten neue Prothesen sehr viel mehr: Sie erweitern die humanen Möglichkeiten, codieren Verhalten neu und können einzelne Körperfunktionen perfektionieren. Der menschliche Körper scheint gerade ein Update zu erfahren.

»Mit einer Carbon-Prothese wurde der unterschenkelamputierte Weitspringer Markus Rehm Deutscher Meister der olympischen Klasse. An der Europameisterschaft darf er aber nicht teilnehmen. Es gebe große Zweifel, dass Sprünge mit einer Prothese und einem Bein vergleichbar seien, so die offizielle Begründung des Deutschen Leichtathletik-Verbandes.

Die technische Erweiterung des Menschen schreitet voran. Mit sogenannten wearables wie Datenbrille, Computeruhr, Fitnessarmband, aber auch durch die Entwicklung von Sinnesprothesen und gedankenlesenden Robotern wird der Mensch in kleinen Schritten zum Cyborg. In der Mobilisierung des Körpers mittels Prothetik ging es, historisch gesehen, zunächst um die Entwicklung von Ersatzteilen, mit denen körperliche Nachteile kompensiert werden konnten. Heute bietet die Digitalisierung und Miniaturisierung der Technik vielfach die Möglichkeit, die Hightech-Produkte bereits direkt in den Körper einzupflanzen. Damit verlagert sich die Schnittstelle von Mensch und Technik, wie etwa auch die neuesten Entwicklungen auf dem Gebiet der Neuroprothetik zeigen. Die Prothetik ist uns auf den Pelz gerückt. Sie geht uns – im vollen Wortsinn – unter die Haut.